Wenn geschiedene Väter und Mütter sich die Kinder so „teilen“, dass diese nicht mehr in Ruhe in einem sicheren Zuhause groß werden können, sondern wie Handelsreisende jedes zweite Wochenende mit dem Übernachtungskoffer hin- und hergeschickt werden, dient das nicht dem Wohl des Kindes, sondern eher dem eigenen Egoismus. In der Langzeitstudie von Judith Wallerstein sind inzwischen die schädlichen Konsequenzen dieser gerichtlich verordneten Zwangsumgänge nachgewiesen worden. Auch die bekannte Autorin Angelika Aliti, die in Österreich lebt, spricht klare Worte gegen das gemeinsame Sorgerecht und den unnatürlichen Wechsel der Kinder zwischen den beiden Elternteilen. Ein Plädoyer für das Recht der Kinder, in Ruhe bei ihren Müttern aufwachsen zu können – und einen selbst bestimmten Kontakt zu ihren Vätern zu haben, wenn sie es wollen.
Als ich das erste Mal geschieden wurde – das war in Deutschland – gab es noch das Schuldprinzip. Ein Gericht ermittelte, wer Schuld am Ende der Ehe war. Das führte – man kann es sich denken – zu Ungeheuerlichkeiten im Kampf um Geld. Denn darum ging es, dass vornehmlich Männer sich gern den Unterhalt für die Ex ersparen wollten. Als die Scheidungsgesetze reformiert wurden, hörte dieser Wahnsinn auf, um von einem anderen Wahnsinn abgelöst zu werden. Denn wenn zwei auseinandergehen und bereit sind, sich in einen Rosenkrieg zu stürzen oder wenn einer entschlossen ist, dem/der anderen das Leben zu vergiften, kann kein Gesetz der Welt sie aufhalten. Teil dieser Reform war das gemeinsame Sorgerecht, um die Rechte der Väter zu stärken und – das ist wirklich von den Gesetzgebern geglaubt worden – das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.
Auch in Österreich haben sich nun Justizministerin Karl und Frauenministerin Reinisch-Hosek entschlossen, dieses Giftfass zu öffnen. Noch feiern alle die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge (wie
in Österreich das Sorgerecht bezeichnet wird). Mir wird ganz weh. Auch wir haben, ähnlich wie in Deutschland, eine seltsame Tendenz hin zum Vater und weg von der Mutter in allen Fällen des
angeblichen Kindeswohls. Vätern wird neuerdings alles geglaubt, Mütter werden neuerdings bevorzugt angezweifelt. Mir wird ganz weh. Allenthalben wird so getan, als wenn die Bindung zur Mutter und
die Bindung zum Vater dasselbe seien. Das ist nicht der Fall. Es bedeutet die völlige Verkennung der Bedeutung dieser Person, deren eigen Fleisch und Blut wir wirklich sind, nämlich der
Mutter.
Wir sind nicht des Vaters eigen Fleisch und Blut, wohl aber Träger seiner Gene und – wenn wir Glück haben, dann glücklicher Teil einer sozialen Bindung, wenn der Vater es geschafft hat, eine
solche zu seinen Kindern zu entwickeln. Rechte? Vor den Rechten kommen doch wohl die elterlichen Pflichten. Und vor diesen die elterliche Liebe. Wir werden in Österreich auch erleben, dass
vom Kindeswohl die Rede ist und gemeint sind die väterlichen Rechte. Man wird sich noch wundern, zu welchen Schlägen genau die Herren Väter ausholen, die eigentlich die Mutter treffen wollen.