Die Mütterblitz-Autorin Klara Steiner schrieb vor drei Jahren: „Die Erziehungsleistung der Eltern ist wichtig und unentbehrlich (…). Unsere Gesellschaft tut sich schwer damit, die Erziehung von eigenen Kindern als Arbeitsleistung anzuerkennen. Würde diese Leistung nämlich als Arbeit anerkannt werden, dann wäre ihre Bezahlung keine Frage, sondern eine Selbstverständlichkeit. In unserer Gesellschaft soll sich Arbeit schließlich lohnen. Nun scheint das nicht an der Aufgabe der Erziehung an sich zu liegen. Denn paradoxerweise wird Erziehungsarbeit sehr wohl bezahlt, wenn sie von Fremden geleistet wird. Aber den Müttern und Vätern wird erzählt, dass das Großziehen der eigenen Kinder schließlich aus Liebe geschieht. Das ist ja auch (meistens) richtig. Nur: Ist es deshalb keine Arbeit?“ Das Thema wird von der Politik überwiegend ignoriert, obwohl bereits um 1900 Frauen ihre Stimmen für ein Müttergehalt erhoben. In Berlin engagiert sich die Studienrätin Sabine Goldmann für dieses Ziel. Ursula Fournier sprach mit ihr über die geplante FamilienKammer.
Frau Goldmann, warum engagieren Sie sich für ein Müttergehalt?
Ich möchte, dass Mütter stolz und selbstbewusst ihre Familienarbeit erfüllen können, und dass die Gesellschaft diese Leistung anerkennt und als wichtig und notwendig akzeptiert. Laut UNO leisten die Frauen weltweit 80 Prozent der Arbeit, erhalten aber nur ca. 30 Prozent des Geldes und besitzen nur 10 Prozent des Weltvermögens. Die Deklaration der Millenniumsziele hat daran bisher nur wenig geändert. Da ist es doch das Mindeste, die Bezahlung der Frauen-Familienarbeit zu fordern, wie bereits 1985 auf der UNO-Frauenkonferenz von Nairobi. Meine Existenz ist gesichert als Beamtin – im Gegenzug dafür soll ich das demokratische Gemeinwohl sichern. Mein Amtseid auf „Demokratie und Gemeinwohl“ gebietet es mir. Solange Frauen- und Kinderarmut bestehen, haben 4 Millionen Beamte im öffentlichen Dienst versagt! So sehe ich das!
Mütter wissen um das Wunder der Geburt und des Lebens. Es geht um die Familie, die Urzelle des Lebens. Und wer schenkt sie allen Menschen? Die Mütter! Also ist die gesellschaftliche Anerkennung der Mütterarbeit der entscheidende Entwicklungsschritt der Menschheit, der nun ansteht.
Warum reicht ein Grundeinkommen, wie es derzeit diskutiert wird, für Mütter nicht aus?
Die Mütterarbeit zählt zu den qualifizierten Berufen, die unsere Gesellschaft braucht. Diesen Berufspool möchte ich um rechnerisch 5 Millionen Vollerwerbs-Arbeitsplätze „Familienmanagement“ (FM) erweitern, die auch Steuern zahlen. Zu unserer Rechnung: 10 Millionen Familien ziehen etwa 15 Millionen Kids groß. Wir rechnen bei drei Kindern mit einem vollen Arbeitsplatz – also mindestens 5 Millionen volle Stellen in Deutschland, die sich etwa auf 10 Millionen Familien verteilen.
Was haben Sie bisher unternommen und welche Reaktionen haben Sie erhalten?
Bei der Veranstaltung zu Hartz I am 16. August 2002 im Französischen Dom in Berlin sagte ich ins Mikrophon: „Wenn Geld durch Arbeit gedeckt ist, gehört Familienarbeit ins Geldmodell. Wir schlagen vor, bei drei Kindern ein Managementgehalt von 2.000 Euro.“ Ich sprach auch Prof. Rürup auf das Müttergehalt an. Er antwortete: „Wir wollen das nicht!“ Dies wurde später mehrfach gesendet bei PHOENIX. 2003 habe ich bei der Deutschen Bundesbank gefragt, wann die Familienarbeit ins BIP (Bruttoinlandsprodukt) kommt. Herr Dr. Oper, Öffentlichkeitsbereich, antwortete mir, „sie wüßten nicht, wie sie sie bewerten sollen.“ Im Oktober 2003 bekam ich dann ein Fax mit dem Schlusssatz, „eine Änderung der Geld- und Währungsordnung würde in den Aufgabenbereich des Gesetzgebers fallen.“ In Berlin in der Reihe „Europa eine Seele geben“ am Pariser Platz antwortete mir der Alt-Chef Schulte-Noelle auf meine Frage nach der Bezahlung der Mütter: „Die tun das doch aus Liebe!“ Bereits 2006 hatte ich einen Stand auf der „didacta“ zum Thema „BundesFamilienKammer“ - Wirtschaft für die Eine Menschheitsfamilie nach dem Prinzip, Geld ist durch Arbeit gedeckt.
Es gibt Modelle, die die Finanzierbarkeit des Müttergehaltes nachweisen. Zum Beispiel das „Projekt Erziehungs- und Pflegeeinkommen." PEPe belegt dies mit einer einfachen Rechnung, die von
einem sozialversicherungspflichtigen Erziehungsgehalt von 2.000 Euro ausgeht. Sehen Sie hier Kooperationsmöglichkeiten?
Mit Herrn Ludwig, dem Wissenschaftler von PEPe, habe ich mich ausgetauscht. Auch er arbeitet hartnäckig und mit einem interessanten Ansatz. Ähnlich hat Christa
Müller gefordert, die ifo-Zahlen (Institut für Wirtschaftsforschung) zur Gestaltung des Mütter- oder Erziehungsgehalts zu nutzen. Auch das Familiennetzwerk von Maria Steuer kenne ich. Mit der
BGE-Gruppe in Berlin (Bürgerinitiative Bedingungsloses Grundeinkommen) habe ich eine Kooperation verabredet. Die Gewerkschaftler und IG-Metaller in Berlin- pandau habe ich angesprochen, ob sie
nicht anfangen könnten, das Familiengehalt der Männer in zwei Erwachsenengehälter zu splitten. Damit könnten Mütter ein eigenes Gehalt deklarieren. Wir könnten den Beruf „Familienmanagerin“
etablieren und den Berufsverband FamilienKammer gemeinsam starten. Gerade Gewerkschafter wissen doch am besten, wie wichtig eine eigene Berufsorganisation ist.
Im Dezember 2012 forderten die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) und Verdi 6,4 Prozent mehr Lohn im Öffentlichen Dienst. Auf meine Nachfrage sagte man
mir bei Verdi: Eigentlich ginge es um einen Familienlohn, die GEW lehnte das ab, nein, es ginge um einen Singlelohn, und die TdL (Tarifgemeinschaft deutscher Länder) hatte darüber noch nie
nachgedacht. Diese Diskussion möchte ich gerne ausweiten. Und jetzt kommt das spannendste Beispiel für ein verdecktes Müttergehalt, nämlich die reale Bezahlung für Familienarbeit an über
10.000 Alleinerziehende, wenn der geschiedene Ehemann stirbt – die „Erziehungsrente“. 700 bis 750 Euro bis das Kind 18 Jahre alt ist - das kann sich die Deutsche Rentenversicherung
leisten. Eine korrekte Einbeziehung der Mütterarbeit in das BIP würde viele Veränderungen bewirken: Familien-, Kinder- und Frauenarmut wären überwunden; Gleichberechtigung zwischen Frau und
Mann wäre möglich; gleiche Demokratie-Machtteilhabe über eine Familienkasse könnte etabliert werden. Dies alles ist dringend nötig, wenn wir für unsere Kinder ein wenig Zukunft retten
wollen.
Warum wird dieses Thema bisher weitgehend ignoriert?
Wer sich für Bezahlung von
Mütterarbeit einsetzt, der wird von Politikern, Experten und Presse ignoriert. Die „Änderung der Geld- und Währungsordnung“ und als wichtigster Punkt die Bezahlung der Familienarbeit wurde
offensichtlich von den Finanzmächtigen mit einem Tabu belegt. Doch seit der Finanzkrise finde ich immer mehr mutige, kritische Artikel.
Was ist Ihre Motivation, den Förderverein zur Gründung der FamilienKammer e.V. ins Leben zu rufen?
Der Verein ist der erste realistische Schritt zur FamilienKammer und in die Öffentlichkeit. Er soll Mütter bestärken, dass
sie einen ordentlichen Beruf ausüben, der bezahlt wird und zu dem auch ein ordentlicher Berufsverband gehört.
Was erwartet die Mitglieder Ihres Vereins?
Spannende Aufgaben: Die Beteiligung am Aufbau der FamilienKammer bis hin zu einer möglichen Karriere in der Planung
der Landes-FamilienKammern und einer BundesFamilienKammer oder die Erstellung der Familienmanagement-Standards und des Familienmanagement-Gehalts.
Lese-Tipps
Bettina Kenter-Götte: Hartz IV oder Heart's Fear? Geschichten von einem Armuts- und Ausgrenzungsgesetz
184 Seiten, Taschenbuch, erschienen März 2018, Verlag Neuer Weg, ISBN 9783880214941
Ein aufrüttelnder und tief bewegender Erfahrungsbericht einer Mutter als „Gegenstimme gegen die unerträglichen immer-noch-hartzfreundlichen Lobhudeleien". Bettina Kenter-Götte ist Schauspielerin, alleinerziehende Mutter, und Autorin mit vielen Auszeichnungen.
Götz W. Werner: Einkommen für alle. Bedingungsloses Grundeinkommen - die Zeit ist reif
304 Seiten, Klappenbroschur, erschienen März 2018, Verlag Kiepenheuer & Witsch, ISBN 9783462051087
Götz W. Werner, der Gründer von dm, ist der bekannteste Vertreter des bedingungslosen Grundeinkommens in Deutschland. In dieser überarbeiteten, aktualisierten und erweiterten Neuausgabe begründet
Götz Werner, warum die Zeit für die Einführung des Grundeinkommens reif ist – und zudem den künftigen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt nicht anders begegnet werden kann. In den letzten zehn
Jahren hat die Idee viele Anhänger gefunden, Politiker aus allen Parteien und viele engagierte Bürger setzen sich dafür ein.
Fotos: mit freundlicher Genehmigung von Mediengruppe Neuer Weg GmbH; Verlag Kiepenheuer & Witsch GmbH & Co KG