Als ich die Einladung zu einem Tempelabend für Frauen erhielt, war ich ganz elektrisiert. Genau das hatte ich mir immer gewünscht: Einen heiligen Raum für Frauen und Mütter, in dem wir uns von Herz zu Herz verbinden können. Ein vorbehaltloses Willkommensein im Kreis von Frauen, die sich gegenseitig nähren, annehmen und unterstützen, bietet die Tempelleiterin Yashodhara von Vilsteren in München. Die Niederländerin mit dem herzlichen Lachen bietet Frauen etwas ganz Besonderes, das sonst noch kaum zu finden ist - Shakti Sadhana, die weibliche spirituelle Praxis. Das Praktizieren ist interaktiv und schließt Bewegung, Ausdruck und respektvolle Berührung mit ein. Das zauberhafte Gespräch mit Yashodhara von Vilsteren genoss Ursula Fournier in vollen Zügen.
Yashodhara, deine Augen strahlen, wenn du auf die Tempelabende angesprochen wirst. Wie hast du denn das Tempelfrauen-Netzwerk entdeckt?
Als ich Chameli, die Gründerin der Tempelabende, entdeckt habe, gab es noch gar kein großes Netzwerk. Es fing damit an, dass mir eine Freundin erzählte, dass Chameli einen Tempelabend zum Kennenlernen in München anbot. Dort bin ich dann hingegangen. Wir machten im Laufe des Abends eine Berührungsübung, wo drei Frauen sich gegenseitig sanft berühren. Es rührte mich so sehr, dass Tränen kamen. Ich hatte schon viel mit Frauen in Workshops gemacht, aber so etwas hatte ich noch nicht erlebt. Für mich war diese sanfte Berührung eine neue Welt. Ich spürte gleichzeitig auch meine Sehnsucht nach dieser Art von Berührung, weil es etwas tief in mir berührte, wo ich sonst nicht dran komme. Später habe ich festgestellt, dass sanft berührt werden immer noch ein Tabu ist für viele Frauen. Oft haben Frauen auch Angst, sich mit ihren tiefen Gefühlen oder Trauer zu konfrontieren. Mich hat es so sehr berührt, dass es die ganze Nacht noch weiter gewirkt hat. Ich fühlte mich in Liebe gebadet und angenommen.
Danach besuchte ich das Wochenend-Seminar von Chameli und war völlig begeistert. Ich hatte das Gefühl, endlich etwas gefunden zu haben, das weibliche Spiritualität manifestiert. Und wie ich dabei in mir und in meinem Körper ankommen und genießen konnte, dass alles okay ist und dazu gehört. Nach allem, was wir Frauen bereits an diesem einen Wochenende aufgebaut hatten, konnte es nicht sein, dass Chameli wieder nach Amerika fährt und das war es dann. Ich hatte etwas entdeckt und das musste ich weiter leben. Wir hatten dann einmal ein schönes Treffen zusammen und nachdem ich noch einen Wochenende mit Chameli miterleben durfte, habe ich einen Raum gemietet und mit den Tempelabenden begonnen. Am Anfang waren wir eine ganz kleine Gruppe.
Was symbolisiert die Bezeichnung „Tempel“ für uns Frauen genau?
Als ich für den letzten Tempelabend Blumen gekauft habe, hat mich der Blumenverkäufer gefragt, wofür ich denn Rosenblätter bräuchte, die ich auf den Boden streue. Ich habe geantwortet: „Für den Frauentempel.“ Er sagte: „Aha, und da tratscht ihr zusammen.“ Genau das ist der Tempel nicht. Es ist kein Ort für ein „Tratsch-Treffen“. Im Tempel lassen wir die Masken fallen. Das wichtigste Ziel im Tempel ist, mir selbst näher zu kommen. Das heißt, mich zu entspannen und alles, was andere von mir denken, loszulassen. Obwohl ich im Tempel etwas anbiete, kann es sein, dass du gerade etwas anderes brauchst. Dann ist es dein Raum, deine Oase, um bei dir anzukommen, bei dem, was in dir das Wesentliche ist. Der Körper ist wiederum der Tempel der Seele. Wir Frauen sind in einer männlichen Welt aufgewachsen, wo es viel um den „Vater im Himmel“ und den „Kopf“ geht. Das Weibliche, also „Mutter Erde“, die im Körper ist, der wiederum aus Erde besteht, fehlt. Wir Frauen geben mit unserem Körper Nahrung mit unserer Brust. Für uns ist also auch der Körper unser Tempel. Ich sage nicht, dass das für Männer nicht so ist, aber es geht es hier um das Weibliche.
Ich habe den Zauber der Tempelabende selbst erlebt: Wir kommen alle mit Verspannungen, Kopf- oder Rückenschmerzen, Alltagssorgen oder der Müdigkeit nach einem langen Tag, und wenn wir nach dem Tempelabend nach Hause gehen, fühlen wir uns wie neu geboren, total aufgefüllt, von der gegenseitigen Zuneigung getragen, verbunden, leicht, weich, weiblich, voller Liebe. Was ist das Geheimnis, das dahinter steckt?
288 Seiten, Hardcover, erschienen September 2018, Ullstein Verlag, ISBN 139783963660061
Das interessante Sachbuch liefert aktuelle Hintergrund-Informationen zum Thema „Heilsame Berührung“. Berührung gehört zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Ein Mangel daran kann nachweislich krank machen. Daher können achtsame Berührungen sowohl bei körperlichen als auch psychischen Erkrankungen heilsam wirken oder zur Erhaltung und Stärkung der Gesundheit beitragen - wie die Erfahrung der Praxis des Awakening Women Instituts seit seiner Gründung durch Chameli Ardagh im Jahr 2007 beständig zeigt. Einen schönen Impuls geben die Autorin und der Autor, wenn sie den Körper „Leib“ nennen. Das Wort leitet sich aus dem Mittelhochdeutschen „liv“ ab und bedeutet Leben.
UF/Fotos: Jasmin Breidenbach, mit freundlicher Genehmigung von Yashodhara van Vilsteren; Cover: Ullstein Buchverlage GmbH