„Das Fehlen von nahestehenden und zugewandten Schutzpersonen im Kinderumfeld und tägliche Trennungen von diesen gehören zu unserem Alltag. Und damit sind nicht nur die gelegentlichen (dramatischen) Trennungen von einem Lebenspartner gemeint, sondern die pausenlos stattfindenden kleinen Trennungen im normalen Tagesgeschehen“, sagt die Autorin und Großmutter Stephanie Ursula Gogolin. In ihrem Mütterblitz-Beitrag beschreibt sie die Folgen dieser Situation für Mütter und ihre Familien.
Menschen mit denen wir eigentlich unser Leben teilen, sehen wir oft nur relativ kurze Zeit am Tag, auch unsere Kinder. Wir haben uns daran gewöhnt, trotz einem immer wieder kehrenden mulmigen Gefühl, relativ junge Kinder allein einer unüberschaubaren Verkehrslage zu überlassen, sie dem nicht immer garantierten Wohlwollen fremder Aufsichtspersonen zu überantworten und im Alltag selbst nicht für sie verfügbar zu sein. Wir werden in eine Welt hineingeboren und arrangieren uns mit ihr, auch wenn das bedeutet, einen permanenten Mangel als „ausreichend“ zu interpretieren. Wir haben uns inzwischen an diese absurde Entwicklung gewöhnt und sie vollkommen verinnerlicht. Wir leben in einer dauernden Anpassung an Fremde. Die Menschen, welche durch Geburt und Blutsverwandtschaft zu uns gehören, also unsere nächsten Angehörigen, verlieren zum Teil schon in unserer Kindheit an Bedeutung und stoßen sich gegenseitig aus.
Das Missachten der Geborgenheit
Unsere UrahnInnen kannten unsere heutige Konditionierung auf Abstand und Trennung nicht. Von der Sippe entfernt, allein zu sein, bedeutete Lebensgefahr, und das Ausgestoßen werden aus der Gruppe kam einem Todesurteil gleich. Später, als die auf der mütterlichen Ordnung beruhenden gesellschaftlichen Abläufe in patriarchale, herrschaftliche umgewandelt wurden, blieb für eine geraubte oder verkaufte Tochter, für eine weit weg verheiratete Frau, nur die Verlustbewältigung. Vielleicht Trauer um die Ihren für den Rest ihres Lebens, ein Schmerz ob des Raubes der vertrauten Nähe und Geborgenheit der Kindertage. Dadurch wurden existenzielle Bindungen gelöst und ausgelöscht, die der Amputation eines Körperteils gleichkamen.